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Castellio, Sebastian (Châteillon)

GND: 118519565

geb. 1515 in Saint-Martin-du-Fresne, gest. 29.12.1563 in Basel, humanistischer Philologe und Bibelübersetzer.

C. wurde in einem kleinen Dorf in Savoyen geboren, studierte in Lyon und ging 1540, nachdem er sich der Reformation zugewandt hatte, nach Straßburg. Dort begegnete er Johannes Calvin, der ihm in Genf die Stelle des Leiters des Studienkollegs in Rive verschaffte, einer Vorbereitungsschule für das Theologiestudium. Dort schrieb er 1542 die Dialogi sacri, ein Lehrbuch für den Latein- und Bibelunterricht, das europaweite Verbreitung fand, und begann mit einer neuen Bibelübersetzung. Bald kam es zu Konflikten mit Calvin, namentlich um C.s philologische Bibelkritik und seinen Wunsch, in das Ministerium der Genfer Prediger aufgenommen zu werden. 1545 verließ C. deshalb Genf und nahm eine kärglich bezahlte Stelle als Korrektor bei dem Drucker Johannes Oporinus an, wo er an Textausgaben antiker Autoren arbeitete. Gleichzeitig vollendete er die beiden Bibelübersetzungen: Die lateinische erschien 1551 mit einer Widmung an den englischen König, die französische vier Jahre später. 1553 erhielt er eine Professur für Griechisch an der Basler Universität. Doch schon im selben Jahr setzte sich der Konflikt mit Calvin und Theodor Beza in aller Heftigkeit fort: C. kritisierte die Verbrennung Michel Servets (27.10.1553) in seiner 1554 pseudonym veröffentlichten Schrift „ De Haereticis an sint persequendi“, in der er Stellungnahmen älterer Autoren (darunter einige Kirchenväter, aber auch Luther und Erasmus) gegen die Tötung von Ketzern zusammentrug. Beza verfasste umgehend eine Gegenschrift unter dem Titel „De Haereticis a civili magistratu puniendis“; nach C.s Pseudonym Martinus Bellius auch „Anti-Bellius“ genannt. C.s Antwort blieb bis in die Neuzeit ungedruckt und kursierte wie manche andere seiner Schriften nur als Manuskript. Die Kritik an den Genfer Theologen führte auch zu Schwierigkeiten in Basel, etwa mit der Zensur beim Druck seiner Werke. Zudem hatte C. engen Umgang mit einem Basler Bürger gehabt, der nach seinem Tod als der reichsweit gesuchte Täuferführer David Joris enttarnt wurde. Zugleich erfreuten sich die Veranstaltungen C.s an der Universität großer Beliebtheit und seine Editionen antiker Autoren, aber auch der mystischen Texte „Theologia deutsch“ und „De imitatione Christi“ waren beispielhaft. Kurz vor seinem Tod plante C., nach Polen auszuwandern, da dort eine religiöse Toleranz herrschte, die er in seinen Schriften immer wieder vertreten hatte.

ADB, NDB, RE, RGG3, RGG4, TRE, BBKL, LThK

Deutsches Biographisches Archiv (DBA): I 182,409-410;183,86;1426,424-431;II 219,244-250;III 142,245-246

Quellen

1553
De Haereticis; C 2131  (Herausgeber, Autor des Vorwortes)
1554
Von Ketzern; C 2132  (Herausgeber, Autor des Vorwortes)

Zitierhinweis

Castellio, Sebastian (Châteillon), in: Controversia et Confessio Digital. Herausgegeben von Irene Dingel. <https://www.controversia-et-confessio.de/id/eafb3ebf-b495-4eb7-8f88-6810904f5023>. (Zugriff am 29.03.2024)

Dieser Text steht unter einer CC BY 4.0 Lizenz.

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