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Strigel, Victorinus

GND: 124408494

geb. 26.12.1524 in Kaufbeuren, gest. 26.6.1569 in Heidelberg, philippistischer Theologe

Geboren als Sohn eines Arztes, der gemeinsam mit Erhard Schnepf, Johannes Brenz und Philipp Melanchthon studiert hatte, aber schon 1528 starb, besuchte St. ab 1538 die Universität Freiburg, wo er besonders bei dem katholischen Humanisten und Aristoteliker Johann Zink studierte. Im Oktober 1542 immatrikulierte er sich in Wittenberg, erwarb im September 1544 den Magistergrad und begann zu unterrichten. Während des Schmalkaldischen Krieges begab er sich nach Magdeburg, anschließend lehrte er in Erfurt und folgte an Melanchthons statt dem Ruf nach Jena. Gemeinsam mit Johann Stigel eröffnete er am 19.3.1548 das Gymnasium academicum, wo er Philosophie, Geschichte und später auch die Loci Melanchthons las. Für die ernestinischen Landesherren verfasste er am 1.9.1548 ein Gutachten über das Interim und im März 1549 ein „Consilium de adiaphoris.“ Im selben Jahr heiratete er Barbara Burkhard, ein Patenkind Melanchthons, und, als diese drei Jahre später starb, in zweiter Ehe eine Tochter Schnepfs. 1552 arbeitete er in Übereinstimmung mit Justus Menius und Nikolaus von Amsdorf am Gutachten gegen Andreas Osiander mit; im Januar 1556 wirkte er in der Kommission mit, die auf die Einigungsbemühungen des Herzogs Christoph von Württemberg und des Pfalzgrafen Friedrich mit der Forderung nach Verdammung der Irrlehrer reagierte. Auf der Eisenacher Synode nahm er eine zwischen Menius und Amsdorf vermittelnde Rolle ein. Gemeinsam mit den Flacianern reiste St. vom Wormser Kolloquium ab, auch wenn er in Briefen bekannte, dies nicht freiwillig getan zu haben. Bei den Vorarbeiten zu dem Weimarer Konfutationsbuch und bei dem Gespräch darüber 1558 brach der Konflikt zwischen Matthias Flacius und St. offen aus; als das im Sinn von Flacius formulierte Buch zur allgemeinen Annahme anstand, verweigerten der Superintendent von Jena, Andreas Hügel, und St. die Unterschrift. Sie wurden daraufhin arrestiert und erst nach längeren Verhandlungen auf Fürsprache der Universität Jena, evangelischer Fürsten und sogar des Kaisers wieder freigelassen. Auf einer öffentlichen Disputation im August 1560 sollte der Konflikt zwischen Flacius und St. ausgetragen werden. Nur der erste Punkt, de libero arbitrio, kam zur Sprache. In den 13 Sitzungen kam keine Einigung zustande; St. hielt an der synergistischen Lehre Melanchthons fest, dass der menschliche Wille bei der Bekehrung dem göttlichen Ruf zustimme (voluntas hominis, quae voci divinae assentitur); Flacius vertrat erstmals seine Auffassung, dass der Mensch total durch die Erbsünde qualifiziert sei und somit seine ganze Substanz ohne Ausnahme identisch sei mit der Erbsünde. Auch ein Privatgespräch zwischen beiden brachte keinen Ausgleich. Als der Streit anschließend unvermindert weiterging, reagierte der Herzog schließlich im Dezember 1561 mit der Ausweisung des Flacius und seiner Anhänger aus der Universität Jena. Für die Beilegung der strittigen Punkte mit St. wurde ein „Bekenntnis Strigelii“ nach Württemberg geschickt, auf dessen Grundlage Jakob Andreae und Christoph Binder eine „Declaratio Victorini“ formulierten, die dieser und die Superintendenten des Landes anerkannten. Um diese Einigung im Lande durchzusetzen, nahmen Maximilian Mörlin und Johann Stössel eine Visitation vor, die wegen der Deklaration auf erbitterten Widerstand bei den Pastoren stieß. Auch eine „Superdeclaratio“ Stössels brachte keine größere Akzeptanz, so dass schließlich über 40 Pastoren ihrer Ämter enthoben wurden. Im Herbst 1562 verließ St. Jena und erhielt von Kurfürst August eine Professur in Leipzig oder Wittenberg angeboten; er entschied sich für Leipzig und begann dort im Mai 1563 zu lehren. Hier verschärfte er in einem Psalmenkommentar seine synergistischen Thesen noch weiter. Wegen des Vorwurfs, dass er eine calvinistische Abendmahlslehre vertrete, wurde ihm im Februar 1567 von Johann Pfeffinger die weitere Ausübung der Lehre untersagt. St. ging nach Amberg in der Oberpfalz und bekannte sich offen zur calvinistischen Abendmahlslehre. Im September 1567 begann er, von Friedrich III. berufen, in Heidelberg Ethik zu lehren. Zwei Jahre später starb er. St. veröffentlichte zahlreiche Werke im Bereich der Artes liberales sowie der biblischen, patristischen und systematischen Theologie, Kommentare zu zahlreichen biblischen Büchern sowie, postum von Christoph Pezel herausgegeben, dogmatische Lehrbücher über die Loci sowie die Moralphilosophie und Ethik Melanchthons.

ADB, RE, RGG3, RGG4, TRE, BBKL, LThK

Deutsches Biographisches Archiv (DBA): I 1240,232-243;II 1280,194-206;III 898,64-65

Quellen

1551
Censurae der fürstlich sächsischen Theologen auf das Bekenntnis Osianders; ZV 10866  (Autor)
1560
Epistola Theologorum Ienensium de causa Victorini; J 207  (Gegner)
Epistola de causa Victorini, dt.; J 208  (Gegner)
1561
Antort des Flacius Illyricus auf etliche seiner Mißgönner; F 1262  (Gegner)
Bekenntnis von der Enturlaubung; B 1566  (Gegner)
Bekenntnis von der Enturlaubung; B 1567  (Gegner)
De Victorini Strigelli Declaratione; V 986  (Gegner)
Disputatio de originali peccato et libero arbitrio; F 1352  (Autor)
EtlicheSchriften und Akten des Victorin Strigel; R 655  (Autor)
Sententia ministrorum in comitatu Mansfeldensi; S 5884  (Gegner)
1562
Disputatio de originali peccato et libero arbitrio; F 1353  (Autor)
1562
Epistola qua Strigelius revocatur; J 209  (Autor)
1562
Erzählung, wie der Streit Victorini geschlichtet wurde; F 1384  (Gegner)
Erzählung, wie der Streit Victorini geschlichtet wurde; F 1383  (Gegner)
1563
Disputatio de originali peccato et libero arbitrio; F 1354  (Autor)
1563
Strigel, in psalmos Davidis; B 3210  (Autor, Autor des Vorwortes)
1563
Bericht etlicher Prädikanten über ihre Vertreibung aus Thüringen; W 734  (Gegner)
Etliche Schriften der Württemberger Theologen und Victorin Strigels; E 4079  (Autor)
Vom Freien Willen des Menschen; M 4756  (Gegner)
Vom Freien Willen des Menschen; M 4757  (Gegner)
scripta theologorum wirtenbergicorum; Q 16  (Autor)
von Amsdorf, Wider die Synergia Victorini; A 2409  (Gegner)
1564
Theodoreti Episcopi de providentia orationes; T 782  (Herausgeber)
1564
Confessio Mansfeldensis; C 4823  (Gegner)
Oratio de Adamo primo parente; vgl. S 9629  (Autor)
1566
Flacius, Refutatio sophismatum contra testamentum Christi; F 1480  (Gegner)
Herzog Johann Wilhelm, Konfutation der Declaratio Strigelii; S 1125  (Gegner)
1567
Strigel (Hrsg.), Theodorets drei Dialoge; T 776  (Übersetzer)
1567
Theodoret, Drei Dialoge (gr.); T 768  (Herausgeber)
1575
Strigel, De praesentia coporis et sanguinis Christi; S 9640  (Autor)
1583
Victorini Strigelii epistolae; S 9597  (Autor)

Zitierhinweis

Strigel, Victorinus, in: Controversia et Confessio Digital. Herausgegeben von Irene Dingel. <https://www.controversia-et-confessio.de/id/d28819ce-fe4f-49b7-ac2e-3088a8bbc6d7>. (Zugriff am 28.03.2024)

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