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Ochino, Bernardino

GND: 118786679

geb. um 1487 in Siena, gest. Jahresende 1564 in Slavkov/Austerlitz (Mähren), Kapuzinermönch, Prediger, ref. Theologe

O. wurde wohl im Jahr 1487 als Sohn von Domenico Tommasini in Siena geboren, seinen Beinamen hat er von dem Stadtviertel Contrada dell’Oca, aus dem er stammte. Etwa 16-jährig trat er in das Franziskanerkloster seiner Heimatstadt ein. Ob er vom Orden zum Studium nach Padua entsandt wurde, ist nicht gesichert. In der Organisation des Franziskanerordens erlangte er bald verschiedene Ämter (Provinzial, Generaldefinitor, Ordensvikar), in denen er häufig Streitigkeiten innerhalb des Ordens zu schlichten hatte. Der Wunsch nach strengerer Einhaltung der Ordensregeln ließ ihn von den observanten Franziskanern zu den Kapuzinern wechseln, dem 1528 gegründete Flügel der Franziskaner. Er trat 1534 in den römischen Konvent ein und wurde schon im Folgejahr zum ersten Definitor und im Jahr 1538 in Florenz zum Generalvikar des Ordens gewählt. Seine besondere Predigtgabe trat vor allem seit seiner Zeit im Kapuzinerorden deutlich hervor; seine Fastenpredigten fanden massenhaften Zulauf, brachten ihm aber auch die Wertschätzung der Kardinäle und Gelehrten Pietro Bembo, Gasparo Contarini und Vittorio Colonna ein. Predigtreisen führten ihn durch zahlreiche Städte Italiens von Mailand bis Neapel, wo er 1536 auch von Karl V. gehört wurde. Dort begegnete er auch Juan de Valdes, der ihn mit spiritualistischem Gedankengut in Berührung brachte. 1541 wurde er als Generalvikar des Ordens wiedergewählt. Die Fastenpredigten des Jahres 1542 in Venedig brachten O. in den Verdacht der Häresie; er wurde unter einem Vorwand nach Rom vorgeladen. Bei einer Begegnung mit Pietro Martyr Vermigli in Florenz überzeugte dieser ihn von der drohenden Gefahr durch die Inquisition. O. entschloss sich zur Flucht und reiste über Graubünden nach Genf, wo er im September 1542 Prediger der Gemeinde italienischer Protestanten wurde und heiratete. 1545 reiste er über Basel, wo er sich mit Celio S. Curione und Sebastian Castellio anfreundete, und Straßburg, wo er Martin Bucer und den inzwischen auch geflohenen Vermigli traf, nach Augsburg. Hier wurde O. Prediger, musste aber die Stadt verlassen, als Karl V. 1547 zum geharnischten Reichstag in der Stadt erschien. Über Basel und Straßburg ging O. auf Einladung von Erzbischof Thomas Cranmer nach England, wo er Prediger der italienischen Flüchtlingsgemeinde in London wurde und ein Kanonikat in Cambridge erhielt. Nach Thronbesteigung der Königin Maria Tudor 1553 musste O. wie viele andere Glaubensflüchtlinge England verlassen. Über die Stationen Genf, Chiavenna und Basel kam O. nach Zürich, wo er auf Bitten Lelio Sozzinis die Leitung der Gemeinde italienischer Flüchtlinge aus Locarno übernahm. Hier begegnete er auch Francesco Lismanini. Die Publikation einer Sammlung von 30 Dialogen rief den Magistrat auf den Plan; ihm wurde Befürwortung der Bigamie und Antitrinitarismus vorgeworfen und er musste im Dezember 1563 die Stadt fluchtartig verlassen. Auch in Basel und anderen Orten im Reich fand er keine Bleibe. 1564 wandte er sich nach Polen, wo er in Krakau predigte. Ein königliches Dekret, das der päpstliche Nuntius Commendone erwirkt hatte, erzwang seine erneute Vertreibung. In Mähren, wohin er sich gewandt hatte, erkrankten seine Familie und er; er starb im Haus eines italienischen Antitrinitariers in Austerlitz.

RE, RGG3, RGG4, TRE, BBKL, LThK

Archivio Biografico Italiano (ABI): I 710,1-124; II 422,154; II S 60,6

Quellen

1554
Bernardini Ochini Senensis uiri doctissimi, de Purgatorio dialogus; O 206  (Autor)
1555
Syncearae et verae Doctrinae de conae Domini Defensio; O 225  (Autor)

Zitierhinweis

Ochino, Bernardino, in: Controversia et Confessio Digital. Herausgegeben von Irene Dingel. <https://www.controversia-et-confessio.de/id/d7a15942-c6c3-4fca-8d11-794da89b1291>. (Zugriff am 29.03.2024)

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