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Bucer, Martin (auch Butzer)

GND: 118516507

geb. 11.11.1491 in Schlettstadt (Elsaß), gest. 28.2.1551 in Cambridge

Bucer erhielt auf der Lateinschule in Schlettstadt seine erste Ausbildung und trat 1507 in das Dominikanerkloster seiner Geburtsstadt ein. 1508 leistete er die Profess, absolvierte das Philosophiestudium in seinem Kloster und wurde vermutlich 1516 in Mainz zum Priester geweiht. 1517 zum Studium versetzt in das Heidelberger Kloster (Immatrikulation 31. Januar 1517), wo er bei Brenz Griechisch lernte, erwarb er den Baccalaureus biblicus und nahm als Zuhörer an Luthers Heidelberger Disputation 1518 teil. Humanistisch geprägt, knüpfte er Kontakte zu Ulrich von Hutten und Wolfgang Capito und vertrat bald reformatorische Positionen. Seit 1520 bemühte er sich um die Entlassung aus den Ordensgelübden. In den Weltpriesterstand versetzt, wurde B. Kaplan des Pfalzgrafen Friedrich, später Pfarrer in Landstuhl, wo er die ehemalige Nonne Elisabeth Silbereisen heiratete, und 1522/23 in Weißenburg. Als ihn der Bischof von Speyer wegen seiner Eheschließung belangen wollte, geht B. nach Straßburg, wo sein Vater schon Jahre vorher das Bürgerrecht erworben hatte und er deshalb Schutz fand. Im folgenden Jahr 1524 wurde B. Pfarrer von St. Aurelien. Das nunmehr offiziell reformatorisch gewordene Kirchenwesen Straßburgs stand zwar unter der Leitung Capitos, doch Bucer übernahm im Laufe der Zeit immer mehr Verantwortung. 1529 erhielt er eine Pfarrstelle an St. Thomas, einer der Hauptkirchen, seit 1531 übernahm er das Amt des Präsidenten im Kirchenkonvent. 1541 berief ihn der Rat nach Capitos Tod zum Superintendenten der Straßburger Kirche und Mitglied des Thomaskapitels, zu dessen Dekan er später auch aufstieg..

An der Umgestaltung der Straßburger Kirche und darüber hinaus an der Formulierung einer spezifischen oberdeutschen Theologie hatte Bucer in der Folge maßgeblichen Anteil. Er bemühte sich um die Abschaffung der Messe und die Einführung eines evangelischen Gottesdienstes, suchte die Auseinandersetzung mit den Täufern und radikalen Spiritualisten, war maßgeblich an der Gestaltung der Kirchenordnung von 1534 beteiligt, betrieb die 1538 erfolgte Gründung des Gymnasiums als Höherer Schule und fundierte mit seinen Bibelkommentaren und theologischen Gutachten sein Vorgehen in der neugewonnenen Auslegung.

Schnell griff Bucers Wirksamkeit über die Mauern Straßburgs hinaus. Besonders in der Zusammenarbeit mit dem Straßburger Stettmeister Jacob Sturm als führendem Politiker der Stadt wurde Straßburgs Religionspolitik zum Musterbeispiel der erfolgreichen Stadtreformation. Im Spannungsfeld zwischen schweizerischer und lutherischer Theologie vertrat er eine Mittelposition und bemühte sich um Vermittlung. 1528 trat er auf der Berner Disputation als einer der Wortführer auf und suchte auf dem Marburger Religionsgespräch den theologischen Ausgleich zwischen Luther und Zwingli, der aber in der Abendmahlsfrage nicht erreicht wurde. Die eigenständige Haltung der oberdeutschen Städte führt auch auf dem Reichstag in Augsburg zur Einreichung einer eigenen Bekenntnisschrift neben der CA; die Confessio Tetrapolitana war von Capito und Bucer formuliert. Mit den Wittenbergern gelang die Formulierung eines gemeinsamen Abendmahlsbekenntnisses in Gestalt der Wittenberger Konkordie, doch die Schweizer wollten sich dieser Einigung nicht anschließen.

Bucers Begabung als Kirchenorganisator stellte er auch in den Dienst benachbarter Herrschaftsgebiete. So entwarf er eine Kirchenordnung für Ulm 1531, beriet Herzog Ulrich von Württemberg bei der Einführung der Reformation in Württemberg 1534 und verfasste 1539 mit der sog. „Ziegenhainer Zuchtordnung“ die Grundlage für das reformatorische Kirchenwesen in Hessen.

Auch für den Reformationsversuch im Kölner Erzbistum unter Bischof Hermann von Wied entwarf B. gemeinsam mit Melanchthon eine Ordnung, deren Umsetzung allerdings scheiterte. Große Bedeutung für den Protestantismus in Frankreich gewann die Aufnahme Johannes Calvins und der Flüchtlingsgemeinde der französischen Flüchtlinge in Straßburg, die 1538 eine eigene Gemeinde formieren konnten.

Seine Begabung zum Ausgleich machte B. zu einem der wichtigsten Teilnehmer an den Konsensgesprächen zwischen Protestanten und Katholiken, auf denen nach 1539 eine friedliche Einigung in der Religionsfrage auf Reichsebene gesucht wurde. Die Kompromissbereitschaft, die er – etwa bei der Formulierung des sog. „Regensburger Buchs“ 1541 – an den Tag legte, trug ihm allerdings im protestantischen Lager nicht nur Zustimmung ein. Den Gesprächen, die nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg unter den Vorzeichen der militärischen Stärke des Kaisers in Augsburg („geharnischter Reichstag“ 1547/48) stattfanden, verweigerte B. seine Beteiligung, kritisierte das Interim scharf und mußte deshalb emigrieren. In England, wo unter König Edward VI. und Erzbischof Thomas Cranmer ein Kirchenreformwerk begonnen worden war, fand er ehrenhafte Aufnahme und erhielt eine Professur für Theologie in Cambridge. In dem großen, erst postum gedruckten Werk „De regno Christi“ von 1550 formulierte er ein weitgespanntes Konzept einer Kirchen- und Gesellschaftsreform. Doch war ihm in England keine lange Wirksamkeit mehr vergönnt, er starb nach längerer Krankheit keine zwei Jahre nach seinem Eintreffen. Als 1553 Maria Tudor ihrem Bruder auf dem Thron nachfolgte und eine Phase der gewalttätigen Rekatholisierung einsetzte, wurde B. posthum als Ketzer verurteilt. Seine Überreste wurden exhumiert und öffentlich verbrannt. Unter Königin Elisabeth wurde B. rehabilitiert.

ADB, NDB, RE, RGG3, RGG4, TRE, BBKL, LThK

Deutsches Biographisches Archiv (DBA):

I 31,137;172,106-109;II 209,307-335;III 124,369-385;136,31-34

Quellen

1547
Summarischer Vergriff der christlichen Lehre; B 8927  (Autor)
1561
Novissima Confessio Buceri de Coena; B 8875  (Autor)

Zitierhinweis

Bucer, Martin (auch Butzer), in: Controversia et Confessio Digital. Herausgegeben von Irene Dingel. <https://www.controversia-et-confessio.de/id/c55420cc-cb3b-48a8-9257-7ba80ccf2ac6>. (Zugriff am 20.04.2024)

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