Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Akzidensschmierer

Also müssen wir auch  durch Gottes gnade aus Gottes Wort wider die Sacramentirer, Accidensschmierer vnd andere verfürer gewiß vnd gerüst sein ... (Christoph Irenäus, Apostasia, 1573, VD 16 I 273, Bl. a3v).

Die Invektive entstammt der Auseinandersetzung um die Bedeutung der Erbsünde. Betrifft diese die Substanz des Menschen, der darum völlig unfähig ist, einen Beitrag zu seiner eigenen Rechtfertigung zu  leisten, oder handelt es sich dabei um einen mehr äußerlichen Makel, der die ursprüngliche Gottesebenbildlichkeit des Menschen nicht wesentlich zu beeinträchtigen vermag, so dass der Mensch auf das Heilsangebot Gottes zustimmend reagieren kann? Nach Ansicht des Matthias Flacius und seiner Mitstreiter, zu denen auch Christoph Irenäus gehörte, ist die Verderbtheit der menschlichen Natur durch die Sünde so radikal, dass jeder Mensch ganz und gar auf Gottes rettendes Handeln in Christus angewiesen ist. Wenn ihre Gegner die Erbsünde als bloße Äußerlichkeit (Akzidens) betrachteten, setzten sie damit zugleich die Bedeutung des Rettungshandelns Christi herab. Die Empörung über die schriftliche Verbreitung solcher theologisch unannehmbaren Irrlehren schlägt sich in der Bezeichnung der Gegner als "Akzidensschmierer" nieder. Gelegentlich werden sie auch einfach als "Akzidenzer" apostrophiert.

(H.-O. S.)

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