Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Centaurus

Als er Abt oder Hauptmann zu Doberlaw war vnd der Pfarrer daselbst so gräwlich schwüre von jm höret, begert er deßhalben einmal mit jm zu reden. Der Centaurus ließ jn zu sich kommen: Da bath vnd ermanet jn der Pfarrer, er wölte doch von dem scheützlichen Gotslästern vnd schwören ablassen." (Erasmus Alber, Dialogus vom Interim (1548), unsere Edition Bd. 1, Nr. 11, S. 639,59)

Erasmus Alber attackiert hier Wolf von Schönberg, der im Schmalkaldischen Krieg als kursächsischer Generalfeldmarschall und damit eine zentrale Rolle in der kursächsischen Kriegführung eingenommen hatte. Alber machte vor allem ihn für die Niederlage des Kurfürsten bei Mühlberg 1547 verantwortlich. Schönberg nahm nämlich an der entscheidenden Schlacht nicht teil, da er eine Beinverletzung hatte. Alber legte ihm dies jedoch als Desertion aus und zeichnete von ihm das Bild eines beratungsresistenten, inkompetenten, überheblichen, gottlosen Mannes.

Zum Beweis für seine Ansicht, berichtete Alber unter anderem, dass Schönberg nach der Säkularisation der Klosterherrschaft Dobrilugk 1541 dort angeblich "Abt oder Hauptmann" gewesen sei. Schon zu dieser Zeit soll er angeblich durch sein unverschämtes Lästern und Fluchen so auffällig geworden sein, dass der dortige Pfarrer ihn zu einem Gespräch bat.

Vor dem Hintergrund der militärischen Karriere Schönbergs und der ihm unterstellten charakterlichen Fehlbildungen verglich Alber ihn dann hier mit dem mythischen Fabelwesen eines Kentauren. Diese der antiken Mythologie entstammenden vierbeinigen Mischwesen aus Mensch und Pferd wurden zumeist gekennzeichnet durch Aggresivität, Lüsternheit und Weingier.

Lit.:

Christine Walde, Art. Kentauren I. Mythodologie, in: NP 6 (1999), 413f.

[J.M.L.]

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