Drecktätlein
Hernachmals ist solche gantze Handlunge durch den Jllyricum, wie er sich selbs inn seinen Drecktetlin rhümet in Druck gegeben vnd vom jm vnd andern auch vnangefochten blieben. (Georg Major, Ein Sermon von St. Pauli … Bekehrung (1553), unsere Ausgabe Bd. 3, 259, 17–19).
Georg Major spielt hier auf die Verhandlungen zwischen den kursächsischen Räten und Theologen zum Umgang mit dem „Augsburger Interim“ von 1548 an. Matthias Flacius hatte im Jahr 1550 zusammen mit Nikolaus Gallus eine Sammlung der wichtigsten Dokumente, die in diesen Verhandlungen entstanden waren und eigentlich geheim gehalten werden sollten, der Öffentlichkeit durch Druck zugänglich gemacht und sich damit wie ein frühneuzeitlicher „Whistleblower“ verhalten (vgl. unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 4, S. 367–441). Flacius und Gallus hatten diesen Schritt nicht anonym getan, sondern die Dokumentensammlung unter ihrer beider Namen veröffentlich.
Major, der selbst zum Teil an den Verhandlungen 1548/49 beteiligt gewesen war, fühlte sich durch diese Veröffentlichung sowie durch weitere Angriffe von Flacius in zahlreichen anderen Streitschriften auf ihn und die Wittenberger Theologen missverstanden und verunglimpft. Seinem Zorn über die Publikationen von Flacius und seiner Abscheu über deren Inhalt verlieh er durch die hier verwendete Bezeichnung „Drecktetlin“ Ausdruck. Polemisch verband er damit die Worte „Dreck“ und „Traktat“ zu einem abwertenden Schlagwort für die Schriften von Flacius, was durch den angewendeten Diminutiv zusätzlich grammatikalisch verstärkt wird.
Diese schimpfliche Bezeichnung für die Veröffentlichungen des Flacius kann ganz im Sinne des häufig erhobenen Vorwurfs der "Nestbeschmutzung" durch einen "Whistleblower" verstanden werden (vgl. den Art. Ärgernisrufer).
(J. M. L.)