Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Duckmäuser

Tizian, Kaiser Karl V. im Harnisch (Mitte 16. Jhdt.)
Solcher arth [wie sein Bruder, König Ferdinand] ist auch Carolus [Kaiser Karl V.], der Tückmeüser! Sein hertzliche frewd sihet er yetzt, dz Teütschland so verheeret vnnd außgesogen wirdt, gleichwie Nero seine lust sahe, als er Rom an zwelff orthen mit fewr het lassen anstöcken. Erasmus Alber, Dialogus vom Interim (1548), unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 11, S. 596.
... Solt mann doch solche tuckmeusserey in weltlichen sachen nicht leiden, viel weniger in der kirche, darinn Christus ein auffrichtig, offenbar, rein, getrew hertz fordert. Also spotten sie des Keysers vnd Christi: Des Keysers, weil sie heimlich sagen, das sie dasjenige, das sie thun, gar nicht von hertzen thun, sonder stellen sich nur also, auff das sie den Keiser betriegen. Christi aber spotten sie, weil sie aus furcht der Tyrannen nicht bekennen wollen, was sie im hertzen haben. Ja sie zeigen stracks das widderspiel an. Matthias Flacius Illyricus, Von wahren und falschen Mitteldingen (1550), unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 3, S. 301.

Mit dem Wort "Duckmäuser" charakterisiert man einen Menschen als missgünstig, verschlagen und unaufrichtig.  Vgl. Art. "Duckmäuser", in: DWb 2, 1495f, und die weiteren Artikel zu diesem Stamm. 

Im ersten Zitat unterstellt Erasmus Alber dem Kaiser, er empfinde insgeheim Befriedigung angesichts der Verwüstungen Deutschlands durch den Schmalkaldischen Krieg. An der zweiten Stelle beklagt Matthias Flacius die Unaufrichtigkeit seiner Gegner. Dergleichen sei schon in weltlichen Angelegenheiten schwer erträglich, aber in kirchlichen umso weniger zu dulden. Das Doppelspiel der Gegner verspotte Christus  und den Kaiser gleichermaßen, weil sie auf die Forderungen des Kaisers nach Wiedereinführung der altgläubigen Riten nur zum Schein eingehen wollten und doch zugleich aus Furcht vor dem Zorn des Kaisers das deutliche Bekenntnis zur Wahrheit des Evangeliums scheuten.

(H.-O. S.)

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