Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Erzheuchler

"Dann wenn sie einigen Jrthumb oder Ketzerey auff jn bringen oder beweisen können, so wil ich jn selbs helffen verdammen. Dann solches schreibe ich nit allein vmb seiner Person willen, sondern vmb der reinen lehre willen, welche er wider die SchandAdiaphoristen vnnd Ertzheuchler erhalten hat, welchs niemand leugnen kan." (Nikolaus von Amsdorf an Anton Otho. 15. Februar 1562, abgedruckt in: Matthias Flacius Illyricus, Erzählung, wie der Religionsstreit Victorini geschlichtet (1563), in: unsere Edition Bd. 5, Nr. 15, S. 714,1014)

Gegenüber Anton Otho verteidigte Nikolaus von Amsdorf hier Matthias Flacius Illyricus vor den Angriffen, die einige Pfarrer in Nordhausen offenbar gegen diesen vorgetragen hatten. Amsdorf warf den Gegner des Flacius vor, sie könnten ihre Behauptung nicht belegen, dass Flacius Irrlehren vorgetragen habe.

Dabei ging es Amsdorf um die wahre Lehre, die Flacius gegen die Wittenberger Theologen verteidigt habe, als diese die Lehre von den Adiaphora ersonnen hätten. Die Wittenberger hatten zwar vorgegeben, damit die Wahrheit schützen und den Kernbestand evangelischer Glaubensüberzeugung bewahren zu wollen, doch aus Sicht Amsdorfs hatten sie damit auf äußerst perfide Weise versucht, die Wahrheit zu verdrehen und Luthers Erbe zu vernichten. Er sah in ihnen daher "Erzheuchler", also besonders gerissene, hinterhältige Betrüger.

[J.M.L.]

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