Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Eselskopf

Kopf eines Hausesels (Foto: Greudin, gemeinfrei)
Es ist mir lieber, das solche gesellen vnd klügling mich ein Narren vnnd Eselsskopff heissen, denn das Christus, mein lieber Herr, [...] zu mir sagen solt: „Heb dich von mir, du hast den Antichrist angebet vnnd das malzeichen von jhm an deine stirn oder auff deine hant genommen vnnd mich für den Leuthen verleugnet!“ (Nikolaus von Amsdorf, Ein kurzer Unterricht auf D. Georgen Maiors Antwort, 1552, unsere Ausgabe Bd. 3, Nr. 2, S. 73,17-24)

Nikolaus von Amsdorf hält fest, dass er Majors Aussage, gute Werke seien nötig zur Seligkeit, unbedingt ablehnen müsse, denn damit werde das Evangelium verfälscht und Christus verleugnet. An dessen Urteil sei ihm wirklich gelegen, dagegen fielen die Beschimpfungen von Seiten der Befürworter des Interims und seiner Werkgerechtigkeit nicht ins Gewicht.

Der Esel gilt zu Unrecht gemeinhin als dumm. Die Ursache dafür dürfte darin liegen, dass das meist geduldige Lasttier mitunter eigenwillig agiert. Die Bezeichnung "Eselskopf" soll in diesem Sinne einen Menschen als dumm und störrisch qualifizieren.Wenn jedoch der Esel nicht so will, wie sein Treiber oder Reiter, so muss das nicht notwendig an mangelndem Verstand des Esels liegen.

In der biblischen Tradition erscheint der Esel positiver. Das Reittier des Propheten Bileam erkennt den Engel Gottes, der ihm in den Weg tritt, während Bileam das vermeintlich störrische Tier in seinem Unverstand züchtigt (vgl. Num 22,21-35). Im Richterbuch spielt ein Teil eines Eselskopfes eine sehr spezielle Rolle: Der alttestamentliche Held und Richter Simson erschlägt mit dem Kinnbacken eines Esels tausend feindliche Philister (Vgl. Ri 15,15-19). Saul findet auf der Suche nach den Eselinnen seines Vaters ein Königreich (I Sam 9 und 10). Im Neuen Testament finden sich zwar Ochs und Esel nicht an der Krippe (jedenfalls nicht ausdrücklich, sie sind erst nachträglich über Jes 1,3 dorthin gelangt), aber der erwachsene Jesus reitet auf einem Esel (Joh 12,14f) bzw. einer Eselin (Mt 21,2-5) in Jerusalem ein, gemäß der alttestamentlichen Verheißung Sach 9,9.

Vgl. Art. Eselskopf, in: DWb 3, 1153.

(H.-O. S.)

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