Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Feldheimchen, Grille

Feldheimchen (gryllus campestris) [Wikimedia commons. Aufnahme xulescu_g]
Er [= der Teufel] ist auch dem Vaterlande Lutheri heiliger gedechtnis sonderlich feind, drumb muste ein Grylle daselbst dem Euangelio zu höchsten schaden vnnd vnehrn das Gesetz auffs Rathaus weisen. Aber Gott sties jn aus dem Vaterlande. Nun kumpt ein ander Grickel oder Feltheyme, machts nicht viel besser, gibt dem Gesetze gar zu uiel, mengets vnter die seligkeit, das one das Gesetz die seligkeit niemand haben könne. Wolan, Gott wirds mit deme nach seinem wolgefallen auch wol machen vnd mit dem Geiste seines mundes allen Antichristischen geistern wehren.  (Antwort der Mansfelder auf Stephan Agricolas Schlussreden, 1553, unsere Ausgabe Bd. 3, Nr. 8, S. 350,16-24)

Die Mansfelder Prediger gehen auf Vorgänge in Luthers Geburtsstadt Eisleben (in der Grafschaft Mansfeld) ein. Dort hatte Johann Agricola, genannt "Grickel", was auch "Grille" bedeuten kann, antinomistische Thesen vorgetragen. Nun kam ein neuer Grickel, Stephan Agricola d. J., und unterstützte die umstrittene These Georg Majors, gute Werke seinen nötig zu Seligkeit. Im Unterschied zu jenem ersten Grickel vergleichen die Polemiker diesen zweiten nun mit einer anderen Grillenart und apostrophieren ihn als "Feldheimchen" (gryllus campestris). Dabei spielt offenbar auch eine Rolle, dass dem Teufel eine besondere Beziehung zu den Insekten nachgesagt wurde (Beelzebul = "Herr der Fliegen").

(Vgl. Art. Feldheime, in: DWb 3, 1484; Riegler, Art. Fliege, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 2 [1930], 1621-1630, bes. 1626f)        (H.-O. S.)

 

 

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