Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Flattergeist

Darnach haben sie vil vrsachen mehr genommen Ex loco causarum, welcher solchen Fladergeistern das rechte refugium miserorum ist, da einem wenig spitzen (scharfsinnigen) kopffe ein ding wol zehen-, zwentzigmal muß war (wahr) vnnd recht sein, das sein tage noch nie einmal halbes theils war oder recht worden ist noch werden kan. (Anton Otho, Gütlicher Bericht (1559), B 3r, in: unsere Edition Bd. 4, S. 124,25–125,2).

Im Zuge der antinomistischen Kontroverse legte Anton Otho in seinem „Gütlichen Bericht“ aus dem Jahr 1559 eine Klassifikation unterschiedlicher Arten von Antinomern vor, d.h. von denjenigen Theologen, welche die Bedeutung des Gesetzes und der Gesetzespredigt für den Christen ablehnten.

Um das Verhalten und die Argumentationsweise einer der von ihm erstellten Gruppen von Antinomern zu charakterisieren, bediente er sich des Wortes „Flattergeist“. Otho griff damit wohl auf eine Bezeichnung zurück, die bereits Luther gebraucht hatte, um „vnbestendige[…] Geister“ zu beschreiben, „die jmer etwas newes finden vnd fürnemen, wie Ketzer pflegen zu thun.“

Das Wort „Flattergeist" diente somit dazu, Othos Leserschaft die angebliche argumentative Unbeständigkeit seiner antinomistischen Gegner vor Augen zu stellen und sie damit als unglaubwürdig erscheinen zu lassen.

Lit.: Lutherbibel 1545 (Volz, Bd. 1, 1074); Art. Flattergeist, in: DWb 3, 1730.

(J.M.L.)

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