Geldnarr
"Denn wir wissen nicht, wie lang wir gute prediger, die von Caeremonien recht richten können, haben werden. Ja wo die Adiaphoristen fortfaren werden, die Christliche kirch so zu reformiren, wie sie zu Torgaw angefangen haben, das sie vns für Gottfürchtige, bestendige prediger Gottlose Mohr, das ist: geltnarren vnd hoffschrantzische heuchler, einsetzen, so werden wir in kurtzer zeit nicht einen Gottfürchtigen Lehrer in der kirche behalten." (Matthias Flacius Illyricus, Von wahren und falschen Mitteldingen (1550), unsere Edition, Bd. 2, Nr. 3, S. 271,35–273,3)
In Kursachsen kam es 1549 zum Widerstand eines Teils der Pfarrerschaft gegen die Bestimmungen der Leipziger Landtagsvorlage. Als Reaktion ließ der Kurfürst daraufhin z.B. in Torgau den dortigen Pfarrer und Superintendenten Gabriel Zwilling (Didymus) seiner Ämter entheben. Zum Nachfolger wurde Georg Mohr bestimmt, der keinerlei Widerstand gegen die kurfürstliche Kirchenpolitik leistete, sondern sich vielmehr willfährig zeigte.
Flacius verspottete Mohr aufgrund von dessen Ergebenheit und deutete mit der Bezeichnung "Geldnarr" an, dass Mohr das Evangelium um seines persönlichen Vorteils willen verraten habe. Er sei mit der Stelle des Pfarrers und Superintendenten gekauft worden. Seine Geldgier habe Mohr zu einem Narren werden lassen.
Zu beachten ist in diesem Fall noch die besondere, gelehrte Witzigkeit des Flacius, da das griechische Wort "moros" (μωρός) im deutschen "Narr" bedeutet.
Lit.:
Art. Geldnarr, in: DWb 5, 2917f
Albert Chalybaeus, Die Durchführung des Leipziger Interims, Chemnitz 1905 (Diss. Leipzig 1904), bes. 46–58.
[J.M.L.]