Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Klügling

Darumb so wisse nun ein jederman was er thu, sehe sich eben für vnd nehme seiner sachen wol war, las jhme sein guth vnd ehre, zeitlichen nutz, Leben oder fride nicht zu hoch gelieben, auff das ehr solchs alles inn ewigkeit nicht gar vorliere, kere sich auch nicht an die klügling vnd naseweisen zu vnsern zeiten, die da fürgeben, das sie fride vnd einigkeit inn der Religion machen wollen, denn die kunst wirt jhnen feilen [misslingen], sie seint viel zu wenig vnd iung dartzu, auch zu lange aus gewesen, vnnd werden in ewigkeit zuschanden darüber werden müssen. (Nikolaus Medler, Eine Predigt wider das Interim (1548), unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 12, S. 710,24-31)

Das Wort "Klügling" bezeichnet jemanden, der sich selbst für besonders klug hält, auch auf seine vermeintliche Klugheit große Stücke hält und sich viel auf seinen Scharfsinn einbildet. Da seine Klugheit jedoch nicht mit Lebenserfahrung verbunden und durchtränkt ist, können die daraus resultierenden Pläne der Lebenswirklichkeit nicht standhalten. Man enwickelt mit großer Phantasie hochtrabende Projekte, die man nicht adäquat umzusetzen versteht. Der Klügling nimmt Anlauf und springt ab - um es mit einem gängigen Bild zu sagen - als furchteinflößend brüllender Tiger und landet günstigenfalls als Bettvorleger. Dazu kann noch das Moment des Besserwisserischen kommen, das nicht mit positiver Kritik zu verwechseln ist. Schon bei Luther begegnet "Meister Klügling" gleichsam als Besserwisser in Person.

Im zitierten Text warnt der Braunschweiger Superintendent Nikolaus Medler vor faulen Kompromissen in Glaubensfragen, insbesondere wegen der Streitigkeiten infolge des Augsburger Interims von 1548. Der Wunsch nach zeitlichem Frieden und Wohlergehen dürfe nicht das ewige Seelenheil gefährden.

Vgl. Art. Klügling, in: DWb 11, 1287f.

(H.-O. S.)

Zur Übersicht