Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Lügenwäscher

Damit aber ... alle vrsachen, an vnser Christlichen meinung zu zweiffeln, auffgehaben vnd den lügenweschern jr lestermaul wol gestopffet werde, wil ich etliche beweisungen einfüren ... (Cyriakus Spangenberg, Antwort auf die schreckliche Landlüge, 1572 (VD 16 S 7479), C3r; unsere Ausgabe Bd. 6)

Spangenberg sieht sich genötigt, Behauptungen seiner Gegner entgegenzutreten, wonach er lehre, das Föten im Mutterleib und Kleinkinder Teufelsgeschöpfe oder leibhaftige Teufel seien. Die Gegner sind zu dieser Unterstellung gelangt, weil Spangenberg im Anschluss an  Matthias Flacius Illyricus der Meinung war, es sei unangemessen, die Erbsünde als blosse Äußerlichkeit (Accidens) zu bezeichnen, man müsse sie als Teil des menschlichen Wesens ansehen, um die Angewiesenheit aller Menschen auf die Erlösung durch  Christus deutlich herauszustellen.

Das  Wort "Lügenwäscher" bezeichnet einen Schwätzer, der Lügen verbreitet, nicht etwa jemanden, der von Lügen reinwäscht o. dgl. Während der Wäscher (s. dort) ohne großes Nachdenken ausplaudert, was ihm in den Sinn kommt -  Klatsch und Tratsch, dummes Zeug, Gerüchte, Mutmaßungen, Anekdoten, Witze, Stammtischparolen -  ist beim Lügenwäscher davon auszugehen, dass er - angesichts der Tendenz wohl absichtlich - 'Fakenews' unters Volk bringt, Falschmeldungen, Verleumdungen, Lügen aller Art.

(H.-O. S.)

Zur Übersicht