Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Mückenseiher und Kamelverschlinger

... weiset sich greifflich aus, das diese Ergernisruffer auch hierin Cameluerschlinger vnd Muckensichter sein, als die noch andern Leuten viel vom ergernis zu predigen sich nicht schewen, vnd sey dieses auch den Richtern heimgestellet zu erkennen. Summa und kurzer Auszug aus den Actis synodicis (1560), unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 10, S. 899,7-11.

Auch hier (vgl. Mietling) hat ein Wort Jesu Pate gestanden. In Mt 23,24 ist ein Weheruf über theologische Fachleute überliefert, die auf unbedeutende Kleinigkeiten das allergrößte Gewicht legen und gleichzeitig in Fragen von elementarer Bedeutung gänzlich versagen. In paradox übertreibender Weise hält Jesus ihnen vor, sie achteten zwar peinlich genau darauf, dass nur ja nicht etwa eine Mücke in ihr Trinkwasser gerate, zugleich aber verschluckten sie anstandslos ganze Kamele: "(V. 23) Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr verzehntet die Minze, Dill und Kümmel, und lasset dahinten das Schwerste im Gesetz, nämlich das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben! ... (V. 24) Ihr verblendeten Leiter, die ihr Mücken seihet und Kamele verschluckt!"

Vgl. Art. "Mückenseiger", in: Grimm, Deutsches Wörterbuch 12, 2613 ("übelwollender Kleinigkeitskrämer"); ferner die Artikel "Kamelschlinger", "Kamelschlucker" und "Kamelverschlucker", aaO 11, 97.     (H.-O. S.)

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