Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Pelagianer

"Demnach, do ich neulich, neben andern diser fragen halben, [...] bey mir erwogen, wie gewaltig, wie gründlich, wie volkömlich, wie ernstlich vnd geistreich diese sache lengs hieuor wider das Heupt dieser newen Pelagianer in volgendem Buch (darumb seruum arbitrium genant) von Luthero selb ausgefüret sey, daran sie nit viel mehr dann jr Meister Erasmus gewinnen, sich auch jtzo vileicht noch nit gern offentlich in vnsern Kirchen Luthero widersetzen würden vnnd also mit der that anzeigen, das sie hierin von der Augspurgischen Confession, wie von Luthero abgewichen, [...]." (Nikolaus Gallus, Dass der freie Wille nichts sei, Vorrede (1559), unsere Edition Bd. 5, Nr. 8, S. 278,614)

Der aus Britannien stammende, vor allem in Rom wirkende Mönch Pelagius († nach 418) und seine Anhänger betonten, dass der Mensch wesenhaft gut und darum der menschliche Wille imstande sei, Gottes Gebote aufgrund seines natürlichen Vermögens einzuhalten. Daher lehnten sie die Erbsündenlehre des Augustinus ab.

In der Reformationszeit wurden daher die Theologen, die eine Freiheit des menschlichen Willens behaupteten oder dessen nur verdächtigt wurden, sofort mit Pelagius und seinen Anhängern gleichgesetzt. So avancierte Erasmus von Rotterdem, wie hier bei Nikolaus Gallus, aufgrund seiner Schrift aus dem Jahr 1524 (Erasmus von Rotterdam, De libero arbitrio (1524), in: EAS 4) gar zum "Haupt dieser neuen Pelagianer".

Lit.:

Gerald Bonner, Art. Pelagius/Pelagianischer Streit, in: TRE 26 (1996), 176–185.

[J.M.L.]

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