Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Perserfürst

"Vnd sage, das in deme vnd andern, Flacius ein falscher Zeuge ist, vnd lesset den Lügen- vnd Mordgeist seine zungen wider die öffentliche Warheit gebrauchen vnd dienet diesem Perserfürsten, oder ja seiner Botschafft, das ist, dem Verwüster vnd Zertrenner Geist, zu verhinderung vieler grosser wolfart, so on das dem volck Gottes, der heiligen Kirchen, hetten widerfaren können." (Johann Pfeffinger, Nochmals gründlicher und wahrhaftiger Bericht (1559), unsere Edition Bd. 5, Nr. 7, S. 262,1217)

Johann Pfeffinger beschuldigte Matthias Flacius in seiner Schrift "Nochmals gründlicher und wahrhaftiger Bericht" aus dem Jahr 1559, dass er von dem "Lügen- und Mordgeist", also dem Teufel getrieben werden, besonders gegen die kursächsischen Theologen zu Felde zu ziehen und sie fälschlich des Abfalls von der wahren Lehre zu beschuldigen. Damit stifte Flacius Unruhe in der Kirche und spalte diese.

Wenn Pfeffinger in diesem Zusammenhang den Begriff des "Perserfürsten" verwendet, so wird damit wohl auf das 10. Kapitel des Prophetenbuchs Daniel angespielt (Dan 10,13): "Aber der Engelfürst des Königreichs Persien hat mir einundzwanzig Tage widerstanden; und siehe da, Michael, er der Ersten unter den Engelfürsten kam mir zu Hilfe, und ihm überließ ich den Kampf mit dem Engelfürsten des Königreichs Persien." Der Prophet Daniel bezeichnete auf diese Weise also einen Gegner der göttlichen Wahrheit

Überdies sei an dieser Stelle noch auf die Gestalt des Haman aus dem biblischen Buch Esther verwiesen, der dort als verleumderisch und böswillig dargestellt wird, indem er das jüdische Volk in Persien vernichten will.

Pfeffinger versuchte somit durch die Verwendung des Wortes "Perserfürst" auch Flacius als Intriganten und Agenten des Teufels darzustellen, der die Gläubigen verwirre und darum als ein Gegner der göttlichen Wahrheit zu bezeichnen sei.

[J.M.L.]

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