Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Plauderer

... aber einen solchen Man findet Flacius an Philippo Melanthone nicht, sondern der Geist vnd die weisheit, die in jme ist, die ist vielen fromen vnd gelerten Leuten kundlich vnd werden derselbigen seine Bücher bey allen vnsern nachkomen ein ewiges zeugnus sein, wie seer auch der plauderer dawider geifert... Wittenberger Studenten, Wider die Verfälschung der Definition des Evangelii, 1559, unsere Ausgabe Bd. 4, Nr. 3, 92, 14-18.

Die Wittenberger Studenten verteidigen empört ihren Lehrer Melanchthon gegen Anwürfe des Matthias Flacius Illyricus. Die Werke Melanchthons haben nach Auffassung seiner Schüler Ewigkeitswert, der von Flacius in keiner Weise ernsthaft beeinträchtigt werden kann. Sie nennen den Illyrer einen Plauderer, d. h. einen unverständigen Schwätzer; "garrulus" lautet die lateinische Entsprechung, die sich unter den Belegen im Grimmschen Wörterbuch findet. Es steht demnach weniger der unterhaltende Aspekt des Plauderns im Vordergrund, sondern vielmehr das Moment der Gedankenlosigkeit, wobei durchaus auch Boshaftigkeit und Missgunst mitschwingen können.

Vgl. Art. Plauderer, in: DWb 13, 1927; Art. plaudern, in: DWb 13, 1928-1930.

(H.-O. S.)

 

 

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