Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Proteus

"Sie mügen sich aber verwandeln vnnd mügens so kraus machen, als sie jmmermehr wollen, so haben wir diese schlipfferige [aalglatten] Protheos vnd hinckende Empusa ergriffen." (Matthias Flacius Illyricus, Wider den Evangelisten des Chorrocks D. Geiz Major (1552), unsere Ausgabe Bd. 3, Nr. 3, S. 94,2325).

In der altgriechischen Mythologie tritt Proteus als Meeresgott auf. Er gilt als Hirte der Robben des Poseidon, gelegentlich wird er auch als dessen Sohn bezeichnet. Wie allen Meeresgötter werden auch dem Proteus verschiedene typische Merkmale zugeschrieben. dazu zählt neben dem Greisenalter, prophetischen Gaben besonders die Verwandlungsfähigkeit.Die wichtigste literarische Darstellung des Proteus findet sich in Homers Odyssee, Gesang IV, 349-570.

Matthias Flacius griff hier Georg Major dafür an, dass er die Leipziger Landtagsvorlage ("Leipziger Interim", vgl. dazu unseren Artikel "Interim") verteidigte. Flacius wollte demgegenüber der Leserschaft mit dem Hinweis auf Proteus verdeutlichen, dass Majors Drehungen und Wendungen in der Frage der Lehre von den Adiaphora nichts anderes seien, als listige Schönfärberei, mit der er den Menschen Irrlehren als Rechtgläubigkeit vorgaukeln wolle. Allerdings habe man Major bei diesem Ansinnen durchschaut.

Lit.:

Annemarie Ambühl, Art. Proteus, in: NP 10 (2001), 460f.

[J.M.L.]

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