Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Schalk, Grundschalk

Juan Díaz, evangelischer Märtyrer
... gleichwie Cain mit seinem Bruder redet vnd sich freündtlich stelt, ob er wol imm hertzen jn zu tödten gedacht, Also hat diser grundtschalck Alphonsus seinem Bruder die allerbessten wort gegeben, biß er hinderwerts jn als ein rechter Papist ermördt hat. ([Erasmus Alber], Ein Dialogus vom Interim, 1548, unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 11, 688,13-17)

 Erasmus Alber nimmt - neben dem ersten in der Bibel bezeugten Mord des Kain an seinem Bruder Abel, Gen 4 - Bezug auf einen Kriminalfall, der unter den Zeitgenossen für erhebliches Aufsehen sorgte: Juan Díaz aus Cuenca hatte 13 Jahre lang in Paris Theologie studiert und war dort durch Jaime Enzinas (Dryander) für den evangelischen Glauben gewonnen worden; 1545 ging er für einige Monate nach Genf, anschließend nahm er als Assistent Bucers am Regensburger Religionsgespräch teil. In Neuburg an der Donau ließ er seine "evangelische Summa" drucken, die er Ottheinrich von der Pfalz widmete [VD 16 D 1378]. Nachdem Versuche des kaiserlichen Beichtvaters Petrus Malvenda, seinen Landsmann Juan Díaz zur Rückkehr in den Schoß der römischen Kirche zu bewegen, fehlgeschlagen waren, machte sich Alfonso Díaz, tätig an der Römischen Rota, auf den Weg zu seinem Bruder und ließ ihn, als auch er ihn nicht von seiner Überzeugung abzubringen vermochte, am 27. März 1546 von einem bezahlten Mörder mit einem Beil erschlagen. Die Bluttat sorgte für erhebliches Aufsehen, nicht zuletzt auch deshalb, weil Papst und Kaiser den Prozess gegen den Brudermörder fallenließen mit dem Argument, Juan Díaz habe als Ketzer den Tod verdient.

Wenn Alber den Alphonso Díaz hier als "Grundschalk" bezeichnet, so meint er so viel wie "Erz-Bösewicht", "Erz-Schurke" u. dgl. Das Präfix "Grund" hat hier wie in anderen Fällen eine verstärkende Bedeutung. Das Wort "Schalk" hat einen erheblichen Bedeutungswandel erfahren im Laufe seiner Geschichte. Zunächst bezeichnete es eher neutral einen Diener oder Knecht, wie im Namen "Gottschalk" = Gottesdiener, Knecht Gottes. Dann verband sich damit eine üble Konnotation, so dass "Schalk" - wie an der zitierten Stelle - so viel wie "Bösewicht, Schurke" meinte. In späterer Zeit wurde diese negtive Bedeutung wieder etwas abgemildert, so dass der Schalk zum Possenreißer und Spaßmacher werden konnte.

Claude de Senarclens veröffentlichte eine Schilderung des Mordes an Juan Díaz: HISTORIA VERA DE MORTE SANcti uiri Ioannis Diazij Hispani, quem eius frater germanus Alphonsus Diazius, exemplum sequutus primi parricidae Cain, uelut alterum Abelem, nefariè interfecit: per Claudium Senarclaeum. Cum praefatione D. Martini Buceri, ... Basel 1546 [VD 16 E 1436], der auch das Bild des Juan Díaz entnommen ist; - vgl. a.: Der Gloub vnd leer / ouch läben vnnd tod des hochgeleerten gottsäligen Doctor Johann Dietzen / vnd trüwen zügen vnsers Herren Jesu Christi / der zu Nüwburg an der Donow vonn synem lyblichen bruder ermürdt ist worden vm des heiligen Christenlichen gloubens willen / am xxvij. tag Mertzens/ im M.D.xlvj. Jar, Zürich 1546 [VD 16 D 1379]. –

Vgl. Eduard Boehmer (†), Ernst Schäfer: Art. Spanien. Reformatorische Bewegungen im 16. Jahrhundert, in: RE³ 18 (1906), 580–587, bes. 582,8–21. – Art. Grundschalk, in: DWb 9, 897; Art. Schalk II.2), in: DWb 14, 2069–2073.              (H.-O. S.)

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