Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Schalksknecht

"Warumb hat man dann den handel oder verdammung des Freyen willens nicht publicirt? Ex ore tuo, aus deinem Mund richte ich dich [Mt 12,37], du Schalcksknecht. (Flacius [Hg.], Erzählung wie der Religionsstreit Victorini geschlichtet (1563), unsere Ausgabe Bd. 5, Nr. 15, S. 685,5f)

Matthias Flacius und Victorin Strigel stritten sich über die Frage, ob der Mensch einen freien Willen besäße (vgl. unsere Edition Bd. 5). Strigel betonte dabei gegenüber Württemberger Theologen, die von Herzog Johann Friedrich II., dem Mittleren, von Sachsen als Vermittler berufen worden waren, dass er alles tun wolle, um den Frieden innerhalb der Kirchen wieder herzustellen.

Daraufhin reagierte Flacius, indem er ihn beschuldigte, dass seine Taten nicht seinen Worten entsprächen. Es ging Flacius mithin darum, Strigel als untreu, böswillig und arglistig darzustellen. Daher wendete er auf ihn den Begriff des "Schalksknechts" an, der aus dem gleichnamigen Gleichnis Jesu stammt: Während ein König einem Knecht seine Schulden erlässt, treibt eben dieser Knecht bei seinen Kollegen Schulden rücksichtslos ein (vgl. Mt 18, 2335).

[J.M.L.]

Zur Übersicht