Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Schmarutzler

Nun wolten wir dennoch gern von jhnen berichtet werden, warumb man als eben dis new Buch [= das Augsburger Interim] für warhafftige Lehr annemen solt. Ists jhnen denn vom Himel offenbart? Oder hat das heilige leben vnd wandel der Gottsuorreter vnd schmarutzler, die dis Chymeram oder meerwunder gezimmert haben, so grosses ansehen bey jhnen, das sie denselben geiffer vnnd vnflat für warhafftige Lehr halten können? (Joannes Waremundus [Matthias Flacius Illyricus], Eine gemeine Protestation und Klagschrift aller frommen Christen wider das Interim (1548), unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 5, S. 153,9-14)

Die "Interimsschmiede" Michael Helding, Julius von Pflug und Johannes Agricola nennt Flacius "Schmarutzler"; heute ist die Form "Schmarotzer" geläufiger. Das Wort bezeichnet primär einen Schmeichler und Heuchler um materieller Vorteile willen; der Schmarotzer unterliegt allgemeiner Verachtung, weil er vor keiner noch so entwürdigenden Selbstverleugnung zurückschreckt, so lange sie ihm Nutzen bringt. Leute solche Schlages verfügen nach Ansicht des Flacius nun wirklich nicht über die persönliche Autorität, ein zweifelhaftes Machwerk wie das Augsburger Interim, das sie selbst geschaffen haben, in allgemeines Ansehen zu bringen.

Vgl. Art. Schmarotzer, in: DWb 15, 939f.  Vgl. auch unseren Artikel "Gottsverräter".

(H.-O.S.)

 

 

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