Stummer Hund

Fürnemlich aber sollen alle Lehrer, Pfarrhern vnd seelsorger zu dieser zeit Wacker [tapfer] vnnd nicht stumme hund sein, wie der Prophet sagt, sondern weil sie sehen, das der Wolff, das ist der Teuffel vnnd vnsere widdersacher, die herd des Herrn Christi zustrewen vnnd zureissen, sollen sie dieselbigenn mit dem schwert des Geists, das ist mit Gottes wort, weidlich vnnd vnuerzagt angreiffen Vnnd die armen schefflein vermanen, das sie sich vor den Wolffen hütten. Sie sollen aber nicht stumme, forchtsame hunde sein, die den Wolff da allererst anbellen, wenn sie jhn flihen sehen, wenn er aber vnter die herd des Herren felt vnnd die armen schefflein jemmerlich zureist, schweigen sie stil, zittern vnd verbergen sich. (Johannes Waremundus [=Matthias Flacius Illyricus], Eine gemeine Protestation und Klagschrift aller frommen Christen wider das Interim, 1548, unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 5, S. 177, Z. 5-14)
Das Bild ist genommen von Wach- und Hütehunden, die aufmerksam und pflichteifrig das Eigentum ihrer Herrn bewachen und beschützen sollten, sei es Haus und Hof, seien es Herden von Groß- oder Kleinvieh. Bellend sollen sie vor Gefahren und Angreifern warnen und diese abwehren. Meist erscheint die Wendung im Plural, nach Jes 56,10, wo der Ausdruck auf die pflichtvergessenen Wächter des Volkes gemünzt ist, die in der Stunde der Gefahr kleinbeigeben, statt angesichts der Bedrohung Mut zu zeigen. In der Reformationszeit charakterisierte man so kirchliche Amtsträger, die ihre Herde nicht beschützten und nicht vor den Gefahren des Interims oder anderen Irrlehren warnten. (HOS)