Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Widerbeller

Wil dennoch vnangezeigt lassen, das auch nicht die vberwundenen, sondern die überwinder solchs zu thun gewalt vnd recht haben, des yr widerbeller euch selbst bescheiden [mitteilen, bescheiden, denken] kündtet. (Georg Witzel, Beständige Antwort (1549); unsere Ausgabe Bd. 1, 804,17–19)

 

Witzel erhoffte sich vom Augsburger Interim einen positiven Effekt, da er darin den Versuch erblickte, Reformen im alten Glauben anzustoßen und die Kirchenspaltung zu überwinden. Im Kaiser, der das Augsburger Interim als Religionsgesetz erlassen hatte, erkannte er aufgrund von dessen Amt die geeignete Persönlichkeit für eine Reformen einleitende und die Lehreinheit suchende Politik.

 

Die Kritik der Protestanten, dass es sich beim Augsburger Interim um ein Diktat handele, wies Witzel zurück. Zum einen diente ihm dafür der Verweis auf die Rolle des Kaisers als Obrigkeit, die noch dazu den Schmalkaldischen Krieg (1546/47) gegen die Protestanten gewonnen hatte. Der Kaiser war somit der „überwinder“, der aufgrund seines militärischen Sieges nach Witzel das Recht besaß, den „überwundenen“, also den Protestanten, Gesetze vorgeben zu können. Zum anderen stellten für Witzel die Protestanten per se keinen Teil der wahren Kirche, sondern lediglich eine Sekte dar, der die römische Kirche, als die wahre Kirche in Witzels Augen, Ordnungsvorgaben machen durfte. Die Anhänger der reformatorischen Lehre, die sich dagegen wandten, waren für ihn „widerbeller“, mithin tobende Revolutionäre.

 

Lit.: Art. widerbeller, in: DWb 29, 918; Einleitung, in: unsere Ausgabe Bd. 1, S. 795–801.      (J. M. L.)

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