Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Gnatho

"Darumb fordert die höchste not vnsers gewissens, das wir euch Adiaphoristen vnd Aulicos gnathones angegriffen vnd aller Welt geoffenbart haben." (Nikolaus von Amsdorf, Dass D. Pfeffinger seine Missetat leugnet (1559), unsere Edition, Bd. 5, Nr. 6, S. 185,1719)

Nikolaus von Amsdorf beharrte gegenüber Johann Pfeffinger darauf, die kursächsischen Theologen wegen der von ihnen vertretenen Lehre von den Adiaphora zu Recht angegriffen und verurteilt zu haben. Denn Amsdorf erkannte darin einen Abfall von der göttlichen Wahrheit, wie sie in der evangelischen Lehre aufgefunden werden könne. Den Wittenberger und Leipziger Theologen unterstellte er, die Lehre von den Adiaphora aus Unterwürfigkeit und Speichelleckerei gegenüber Kurfürst Moritz von Sachsen entwickelt zu haben, wenn er sie "Aulicos gnathones" nannte.

Amsdorf spielte damit auf die Figur des Gnatho in der auf einem Stück des griechischen Schriftstellers Menander basierenden Komödie „Eunuchus“ des Terenz an. In ihr wird Gnatho als parasitäre Hofschranze dargestellt. Sebastian Sprenz, der Fürstbischof von Brixen (seit 1521), übersetzte dieses Stück während seiner Tätigkeit am Hof von Mattäus Lang, dem Erzbischof von Salzburg. Es wurde 1516 erstmals aufgeführt und ist heute verloren. Erhalten hat sich die Übersetzung des Ulmer Bürgermeisters Hans Neidhart aus dem Jahr 1486.

Lit.:

Bernhard Ebneth, Sebastian II. Sperantius, in: NDB 24 (2010), 107f.

[J.M.L.]

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