Lärmenschlager, Lärmenblaser
Flacius aber ist nicht allein ein geschworner Kriegsman, wie er sich nennet, sondern auch ein bestetigter Heerprediger, Lermenschlager vnd [-]Blaser, ja wol Kriegsrath dazu vnd vnsers Herr Gotts Fendrich ... (Wittenberger Studenten, Summa und kurzer Auszug, 1560, unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 10, S. 933, Z. 16-18)
Die Wittenberger Studenten ironisieren das Verhalten des Flacius, der sich verpflichtet sieht, für die Sache des unverfälschten Evangeliums in Luthers Interpretation mit ganzer Kraft einzutreten und dabei auch persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Sie vergleichen Flacius, der sich selbst als vereidigten Kämpfer im Dienst Gottes bezeichne, ironisch mit einem Heerprediger, Signaltrommler, Signaltrompeter, ja sogar Kriegsrat (höheren Offizier) und Bannerträger. Flacius schlägt in der Tat Alarm (italien. all'arme = zu den Waffen!), er betätigt sich als Whistleblower. Er macht sich dadurch unbeliebt, dass er Gefahren und Missstände beim Namen nennt und Maßnahmen dagegen einfordert. Wer sich mit den herrschenden Verhältnissen möglichst unauffällig arrangieren möchte, für den ist es dann natürlich ausgesprochen unbequem, wenn Missstände lautstark angeprangert werden.
So bezeichnet denn auch der Wortteil "Lärm" bzw. "Lerman" im 16. Jahrhundert nicht mehr nur den Ruf zu den Waffen, sondern steht auch allgemeiner für "Aufruhr", "Auflauf" und "Zusammenrottung".
Ironischerweise ist auch der diplomatisch wohl versierteste unter den Reformatoren, dem oftmals allzu große Kompromissbereitschaft und Harmoniesucht vorgeworfen wurde, nicht dem Verdikt entgangen, ein Aufrührer, Alarmist und Whistleblower zu sein: Mit Datum vom 31. August 1548 schreibt Kaiser Karl V. an Kurfürst Moritz von Sachsen, Philipp Melanchthon sei »einer aus den fürnehmsten Lärmenblasern« (CR 7,127).
Vgl. Art. "Lärm" in DWb 12, 202-205 (bes. Abschnitt 4); Art. "Lärmbläser" in DWb 12, 205; Art. "Lärmenblasen" und Art. "Lärmenschlagen" in DWb 12, 206.
Vgl. auch unseren Artikel "Ärgernisrufer".
(H.-O. S.)