Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Lästerschreiber

Pasquino, Statuenfragment in Rom, an das seit dem 16. Jhdt. Schmähschriften (Pasquille) angeheftet wurden. [Dargestellt war ursprünglich wohl Menelaos mit dem Leichnam des Patroklos (vgl. Ilias XVI).]
[...] Antwort: Jst nicht war, niemand wirds beweisen. Lieber Lesterschreiber, beweise doch solches vnd anders, lasse deinen namen vnd federn hören vnd sehen. (Flacius [Hg.], Bekenntnis von der Enturlaubung der Theologen zu Jena (1562), unsere Ausgabe Bd. 5, S. 627,12-14)

Aus der "Anwort J. Wigandi vnd M. Judicis auff den gedruckten Lesterzedel wider die Geister der Finsternis". Wigand und Judex verwahren sich in der "Anwort" gegen Anwürfe eines anonymen Pasquillanten und fordern ihn auf, sich zu erkennen zu geben und seine Behauptungen stichhaltig zu belegen.  Es geht den aus den Diensten des ernestinischen Herzogs Johann Friedrich II., des Mittleren, entlassenen vormaligen Professoren der Universität Jena darum, ihre Ehre und ihren Leumund zu verteidigen gegen anonyme Anwürfe. Grimms Wörterbuch führt den Ausdruck nicht, bietet aber eine Stelle zum zugehörigen Adjektiv "lästerschriftlich" (DWb 12, 262) und kennt den "Lästerzettel" (DWb 12, 264).

Vgl. a. Otto Clemen, Evangelium Pasquilli, wieder in: Kleine Schriften zur Reformationsgeschichte 7, 62-67. - Thomas Wolf, Art. Pasquill, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 6 (2003), 682-686.

(H.-O. S.)

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