Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Lassdünken

O jr jungen Rotzlöffel vnd Lasstüncken, gleich als verstünde ich euch nicht, wenn man einem etwas, das er rechts vnd ehrlichs gethan, zu ehrn wil verschweigen, so will man sein rechtthun vmbkehren, felschlich deutten, als hette er vnrecht gethan. Johannes Pfeffinger, Gründlicher und wahrhaftiger Bericht (1550); unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 6, S. 724,19-23.

Pfeffinger redet hier Matthias Flacius Illyricus und dessen Mitstreiter Nicolaus Gallus an.  Als "Lassdünken" bezeichnet man jemanden, der "sich dünken lässt", d.h. der von sich eingenommen und überzeugt ist und sich allen anderen überlegen glaubt, einen "dünkelhaften" Menschen. Grimms Deutsches Wörterbuch verzeichnet die Form "Laszdünkel" in zwei Bedeutungen: 1) Einbildung, Anmaßung, Arroganz (dabei ist auch eine Nebenform auf -n erwähnt); 2) "auch ein eingebildeter Mensch". Als dazugehöriges Adjektiv erscheint "laszdünkelisch" (vgl. DWb 12, 270). Entsprechendes gilt für "Ladünkel" und seine Ableitungen in DWb 12, 55.

Aus Pfeffingers Äußerung spricht ein Altersabstand von einer Generation: Pfeffinger wurde 1493 geboren, Flacius 1520 und Gallus 1516. Pfeffinger gefällt sich hier in einer Pose, aus der er die 'jungen Wilden' ziemlich von oben herab zu behandeln versucht. Der zitierte Satz bedeutet etwa folgendes: '...Ihr meint, ich durchschaute euch nicht.  Wenn man vorgibt, über eine an sich völlig unbedenkliche Handlung aus Rücksichtnahme auf das Ansehen des Handelnden den Mantel des Schweigens breiten zu wollen, so will man damit fälschlicherweise erst recht den Eindruck erwecken, als habe er etwas Unrechtes getan.'

Die Bezeichnung 'Rotzlöffel' ist eines eigenen Eintrages würdig.             (H.-O. S.)

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