Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Lumpensetzer

Papiermacher, aus: Jost Ammann, Ständebuch (1568), Verse von Hans Sachs.
Aber dieser Procurator [Matthias Flacius Illyricus] hat nur eine Taschen vnd kein Gewissen [= ist geldgierig/bestechlich und gewissenlos], weist sich auch öffentlich aus, das eben sie die rechten, waren Lumpensetzer vnd Schreiber sein, wie sie andere Leute verechtlich nennen, vnd haben sich dieselben Procurator jre tage als Lumpenmenner solches Lumpentragens geneeret, so sein sie nicht zu uerdencken, das sie zu dem Hauffen vnd Theologen jre Lumpen setzen vnd verteidigen helffen, das gute wercke schedlich sein zur seligkeit. Wittenberger Studenten, Auszug aus den Actis Synodicis (1560), unsere Ausgabe Bd. 2, S. 928,20-26.

Dass gute Werke zur Erlangung der Seligkeit nicht nur nicht notwendig, sondern sogar schädlich seien, war eine Spitzenthese Nikolaus von Amsdorfs im Majoristischen Streit (vgl. unsere Ausgabe Bd. 3). Die Wittenberger Studenten werfen hier Matthias Flacius Illyricus (und Nicolaus Gallus) vor, Amsdorfs Position zu unterstützen.

Die Bezeichnung "Lumpensetzer" erklärt sich vor dem Hintergrund, dass verbrauchte Textilien von umherziehenden Lumpensammlern (Lumpenmännern) gesammelt und der Papierherstellung zugeführt wurden. Die fein zerkleinerten Hadern wurden in Wasser eingeweicht, und aus dem Papierbrei schöpfte man mit Hilfe von Sieben dünne Schichten, die (evtl. unter Zugabe von Leim etc.) gepresst, getrocknet und geglättet zu Büttenpapier wurden, das als Schreib- oder Druckpapier verwendet wurde. Wenn "(Lumpen-)Schreiber" und "Lumpensetzer" in Parallele genannt werden, so wird man "Lumpensetzer" wohl so zu verstehen haben, dass es sich dabei um einen Produzenten von Makulatur handelt, dessen literarische Produktion gerade noch als Altpapier taugen mag. Die Nähe zu "Lump = verachtenswerter Mensch" dürfte dabei durchaus willkommen gewesen sein.

Vgl. Art. lumpe, in: Fnhdt. Wb 9.1, 1470-1473.                                                                                            (H.-O. S.)

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