Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Mammonsknecht

Cranach, Anbetung des Tiers (Apk 13), 1522
Rembrandt, Der reiche Kornbauer (Lk 12,16-21), 1627
Pfu euch an, jhr Mammonsknecht, die jhr vmb ewers kauffens vnnd verkauffens willen (wie Apocalipsi. xiij. geschrieben stehet [vgl. Apk 13,17]) das Bild des Thiers, nemlich das Interim, anbetet vnd das malzeichen des thiers annehmet! Joannes Waremundus [= Matthias Flacius Illyricus]: Eine gemeine Protestation und Klagschrift wider das Interim (1548); unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 5, S. 175,14-16.

Die Bezeichnung "Mammonsknecht" geht zurück auf ein Wort Jesu, der im Evangelium nach Lukas, Kap. 16, Vers 13 feststellt: "Kein Knecht kann zwei Herren dienen; entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon." Das Wort kommt aus dem Aramäischen. Was unter "Mammon" zu verstehen ist, geht aus dem vorangehenden Gleichnis vom unehrlichen Verwalter, Lk 16,1-9, hervor: Geld und Gut bzw. Kapital. Dabei begünstigt bereits der biblische Text die Vorstellung, den Mammon als einen personifizierten Dämon oder Abgott aufzufassen, der irdischen Besitz und ökonomische Macht verkörpert. Denjenigen, die sich den kaiserlichen Forderungen, wie sie im Augsburger Interim von 1548 erhoben wurden, beugen, wirft Flacius unumwunden vor, das Evangelium um wirtschaftlicher Vorteile willen bzw. aus Furcht vor möglichen wirtschaftlichen Nachteilen zu verraten.

In diesen Zusammenhang gehört auch Luthers Auslegung des Ersten Gebots in seinem Großen Katechismus: "[...] Was  heißt einen Gott haben oder was ist Gott? Antwort: Gott nennt man denjenigen oder dasjenige, von dem man alles Gute erwartet und bei dem man Schutz sucht in allen Notfällen. Einen Gott zu haben ist also nichts anderes, als ihm von Herzen zu vertrauen und zu glauben. Oft schon habe ich es gesagt: Allein das Vertrauen und Glauben des Herzens macht beide, Gott und Abgott. Sind Glaube und Vertrauen richtig, so ist auch dein Gott richtig, und umgekehrt: Wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, da ist auch der wahre Gott nicht. Denn die beiden gehören zusammen, Glaube und Gott. Woran du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässt dich darauf, das ist eigentlich dein Gott. [...] Mancher meint, er habe Gott und alles  zur Genüge, wenn er Geld und Besitz hat, verlässt sich darauf und brüstet sich damit so überheblich, dass er niemanden der Beachtung wert findet. Sieh, der hat auch einen Gott, der heißt Mammon, das ist Geld und Besitz, worauf er sich voll und ganz verlässt. Das ist der verbreitetste Abgott auf Erden. Wer Geld und Besitz hat, der weiß sich unangreifbar, ist fröhlich und unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies. Wer hingegen keines hat, der zweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott. Denn man wird wenige Leute finden, die guten Mutes sind und nicht trauern oder klagen, wenn sie den Mammon nicht haben. Das ist eine Eigenart der menschlichen Natur, die ihr anhaftet bis ins Grab. [...]" (zitiert nach: Unser Glaube, 6. Auflage, Gütersloh 2013, S. 515f).

Vgl. Art. Mammonsknecht, in: Grimm Dt. Wb. 12, 1520 [dort auch weitere Komposita]; Art. Mammon, in: Grimm Dt. Wb. 12, 1519f; Art. mammon, in: Frühneuhochdt. Wb. 9.1, 1699f; Art. [mmwn], in: Gesenius, Hebr. u. Aram. Hwb. (18. Aufl. 2013), 690[a].            (H.-O. S.)

Zur Übersicht