Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Papagei-Theologe

Papageien-Fenster, Augustinerkirche Erfurt, Ausschnitt (um 1310). Das wasserabweisende Gefieder der Papageien galt als Sinnbild für die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens.
... So ist doch dieser vnraht darauß erfolget, das offt vnd mehrer theils solche Gesellen, die weder geschickligkeit noch gaben zum Predigampt gehabt, solche Questiones, Frage vnd Antwort, ad vnguem Außwendig gelernet vnd die so fertig erzelen können, das man geschworen, sie verstündens außwendig wol, das sie doch mehr nicht denn die Wort geköndt, des Handels aber vnd der sachen, dauon die Wort zeugen solten, im geringsten keinen verstandt gehabt, wie man hernach in fürfallenden Religions streitten erfaren, was solche Papagey Theologen für grundt gehabt, das sie sich nach dem grösten hauffen gerichtet ... (Cyriakus Spangenberg, Bedenken, 1580, VD 16 S 7489, A 2v, unsere Ausgabe Band 6)

Cyriakus Spangenberg polemisiert gegen die Praxis, in den theologischen Examina wortwörtlich vorgeschriebene Antworten abzufragen. Dadurch habe man nicht selbständig denkende Theologen ausgebildet, sondern lediglich gedankenlose Nachplapperer.

Schon Luther hatte den Papageien als Beispiel unverständigen Herunterleierns angeführt; in der 6. Thesenreihe gegen die Antinomer heißt es in These 17: "Quidquid de Deo, Christo, fide, lege, gratia etc. loquuntur Antinomi, sine intellectu, ut psitaccus suum chaere loquuntur" [Was auch immer die Antinomer über Gott, Christus, den Glauben, das Gesetz, die Gnade usw. sagen, das reden sie ohne Einsicht, wie ein Papagei sein 'Chaire!'(griech.: Sei gegrüßt!) krächzt.] (WA 39/I, 358,31f).

Dem Flacius warfen seine Gegner vor, er habe den Heiligen Geist mit einem Papageien verglichen (vgl. unsere Ausgabe Bd. 4, S. 68 mit Anm. 95; S. 87 mit Anm. 105). In der Alten Kirche berichtete man von einem Papageien auf dem Markt von Antiochia, der das Trishagion mit einem monophysitischen Zusatz habe hersagen können (darüber wurde auch ein Gedicht von 2137 Versen Umfang verfasst; vgl. Otto Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur 4, 404f; vgl. ferner Johannes Damascenus, Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens [Expositio fidei], Buch III, Kap. 10 [Bibliothek der Kirchenväter 44, München 1923, S. 134f]). 

Angemerkt sei, dass Liselotte von der Pfalz (Elisabeth Charlotte Herzogin von Orléans, geb. Prinzessin von der Pfalz) in einem Brief vom 24. Nov. 1682 zu einer heiklen Frage meint: "... im übrigen werde ich es machen wie das sprichwort hir in Franckreich; 'comme le perroquet de mr. de Savoye, il n'en dissoit mot, mais il n'en pensoit pas moins [Wie der Papagei des Herrn von Savoyen sagte er dazu kein Wort, aber er dachte sich trotzdem sein Teil].'" (zitiert nach Dirk Van der Cruysse, "Madame sein ist ein ellendes Handwerck". Liselotte von der Pfalz - eine deutsche Prinzessin am Hof des Sonnenkönigs, 4. Aufl. München, Zürich 1997, S. 311)

(H.-O. S.)

 

 

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