Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Pocher

Wie denn solche, der klugen Welt, hohe Weisheit wider die liebe Predigt der Apostel vnd diener Gottes im 2. Psalm gar artig [= treffend] abgemalet ist vnd der Pocher scharren, toben vnd freuel gar wol dargeben [= wiedergegeben]: „Lasset vns“ (sagen sie) „jre bande zureissen vnd jr Joch von vns werffen.“ (Weimarer Konfutationsbuch; unsere Ausgabe Bd. 5, Nr. 9, S. 335,2-6)

Die weltliche Klugheit der Philosophie revoltiert gegen die schlichte Predigt der Apostel, und der Psalm 2 gibt die Grundhaltung der philosophisch motivierten Störenfriede treffend wieder, die "wider den Herrn und seinen Gesalbten" (Ps 2,2) aufbegehren: "Lasst uns zerreissen ihre Bande und ihr Joch von uns werfen." Die Verfasser des Konfutationsbuchs sehen darin einen Grundzug des Menschen, dass er den hochfliegenden Erzeugnissen eigenen Vernünftelns mehr Gewicht beizulegen geneigt ist als der schlichten Pedigt des Evangeliums.

Je nach Kontext ist "Pocher" etwa zu umschreiben mit Synonymen wie "Radaubruder, Krakeeler, Unruhestifter", aber auch "Großsprecher, Aufschneider, Maulheld".

Vgl. Art. Pocher 2), in: DWb 13, 1961.

(HOS)

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