Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Rotzlöffel

Johannes Cochlaeus
O jr jungen Rotzlöffel vnd Lasstüncken! Johannes Pfeffinger, Gründlicher und wahrhaftiger Bericht (1550); unsere Ausgabe Bd. 2, Nr. 6, 724,19f.

Der etwa eine Generation ältere Pfeffinger belegt seine Gegner Flacius und Gallus hier mit 'einem weit verbreiteten Schimpfwort für junge Leute oder Kinder' (vgl. Art. Rotzlöffel, in: DWb 14, 1330). Der Wortbestandteil "-löffel" leitet sich dabei ab von "Laffe" (m.) = törichter, untauglicher Mensch, ursprünglich wohl "naschhaftes Kind".

Luther verunglimpfte seinen Gegner Johannes Cochläus (1479-1552) mit Vorliebe als Koch- bzw. Rotzlöffel (cochlear = Löffel). Sein Familienname lautete Dobeneck; Cochläus nannte er sich wegen seiner Herkunft aus der Nähe von Wendelstein (Mittelfranken), von cochlea = Schnecke, Schraube, Wendeltreppe. Seine Lutherbiographie war für die römisch-katholische Lutherrezeption bis ins 20. Jahrhundert von grundlegender (verheerender) Bedeutung. Vgl. Adolf Herte, Das katholische Lutherbild im Bann der Lutherkommentare des Cochläus, 3 Bde. Münster/Westf. 1943. - Remigius Bäumer, Art. Cochläus, in: TRE 8 (1981), 140-146.       (H.-O. S.)

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