Schimpfwort des Monats

Die Autoren der Streitschriften pflegten eine starke und sehr bildhafte Sprache. In einer Zeit, in der die Alphabetisierungsrate sehr niedrig lag, war es ein probates Mittel, den Gegner durch Beschimpfung wirksam und einprägsam zu charakterisieren und zu beschreiben, um so die eigene inhaltliche Argumentation zu verstärken. Die polemische Sprache ist auch als Ausdruck der starken inneren Beteiligung der Kontrahenten zu verstehen. An dieser Stelle werden einzelne Invektiven aus dem Schriftencorpus im Zitat nachgewiesen und erläutert.

Scharrhans

Auch ist jtzundt fürnemlich diese vermanung hoch vonnöten, das kein seelsorger
leichtfertiglich von seiner herd fliehen soll, ob jhm gleich jemand aus den Obersten Regenten solches gebieten würde. Denn sie [die Seelsorger] sind nicht knecht odder diener eines odder zweier scharhansen, die da Gott vnd seine Religion verachten, sondern des Herrn Christi vnd seiner Kirchen. Sollen sie derhalben vleissig acht haben auff die herd, vber welche sie der heilige Geist zu auffmerckern vnnd hüttern gesetzt hat, darumb das sie die Kirchen Gottes wol regieren sollen. Johannes Waremundus [= Matthias Flacius Illyricus], Eine gemeine Protestation ... wider das Interim (1548), unsere Ausgabe Bd. 1, Nr. 5, S. 177,15-22.

Ein Scharrhans ist ein Mensch, der sich ständig streitlüstern gibt, immerfort mit den Füßen, Sporen und Rüstung scharrt, als könne er es nicht erwarten, militärische Heldentaten zu vollbringen. Dabei fehlt ihm die nötige Besonnenheit und der Weitblick zu wirklich mutigem und zielführendem Handeln, stattdessen sucht er bei erstbester Gelegenheit sein Mütchen zu kühlen, nicht selten an Schwächeren. Je nachdem, welcher Aspekt im Vordergrund steht, könnte man als Synonym verwenden: "Maulheld", "Prahlhans", "Großsprecher", "Rabauke", "Säbelrasseler", "Kriegstreiber", im 16. Jahrhundert auch gern "Eisenfresser" oder "Thraso". Das Element "-hans" steht für "männliche Person" allgemein aufgrund der großen Beliebtheit des Vornamens Johannes und seiner Nebenformen. (Zum historischen Kontext des Zitats vgl. den Artikel "Mietling".)

Grimms Wörterbuch kennt auch das Diminutiv "Scharrhänslein" (Bd. 14, Sp. 2220), das bei Luther begegnet, und es führt im Artikel "Scharrhans" (Bd. 14, Sp. 2218f) eine zweite Bedeutung auf: 'Geizhals', einer, der seinen Lebenssinn in dem Bemühen findet, ein Vermögen zusammenzuscharren.  (H.-O. S.)

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